Diagnose Hodenkrebs

30 Jahre alt. Vater eines kleinen Kindes und dann das… Krebs.

Krebs ist ein Begriff mit dem jeder Mensch das Schlimmste verbindet: Dahinsiechen, Chemotherapie, schreckliche operative Eingriffe, Leid, Tod.

Die Tatsache, dass heutzutage mehr als 50 % der Krebserkrankungen geheilt werden, ist im kollektiven Bewusstsein nicht angekommen. Ein Herzinfarkt ist schick, gerade in Business-Kreisen; Burnout heißt, man hat hart gearbeitet – aber Krebs heißt Tod. Dabei ist ein Herzinfarkt meist tödlicher!

Interessiert aber in dem Moment keinen, wenn einem der Arzt erzählt: “Da ist etwas, das muss ganz dringend raus! Morgen ist Ostern, da haben wir keine OPs, aber kommen sie gleich Dienstag wieder und wir nehmen das raus!”. “Das” ist übrigens die Hälfte meiner Männlichkeit. “Semicastratio”, wie der Mediziner sagt.

In diesem Moment denkst du dir: “Scheiße…”, danach “Na gut, eine OP, dann ist der Spuk auch wieder vorbei.”

Tja… dann erst mal warten. Auf die Ergebnisse des Bluttests. Die Suche nach “Tumor-Markern”, die bei Hodenkrebs meistens ein Anzeichen dafür sind, ob da noch mehr Krebs im Körper lauert.

Metastasen sind das, was einem bei Krebs im Endeffekt tötet. Man könnte ein Leben lang mit einem Tumor irgendwo im Körper rumlaufen, solange er da bleiben würde – macht er aber normal nicht.

Also kommt das Ergebnis des Bluttests – ganz knapp über dem Normalwert, den man haben dürfte. Das klingt gut! Aber der Arzt, der höchstens 5 Jahre älter ist als ich, empfiehlt mir, noch direkt ein CT machen zu lassen. Also direkt ein Termin im Röntgenzentrum gemacht und dann erst mal Mittagessen. Es ist lange her, dass ich gegessen habe.

Eine zentrale Bemerkung des Arztes wiederholt sich dabei immer wieder im Kopf: “Wenn ich mir eine Krebsart aussuchen dürfte, würde ich auf jeden Fall Hodenkrebs nehmen. Die Überlebenschance liegt bei über 90 %.”

Na gut, über 90 % überleben. Das ist gut! An Sterben hatte ich nämlich eigentlich noch nie gedacht. Also schon, ich war immer bereit für den Tod – wenn er denn kommt, mit über 80, nach einem gesunden langen Leben und im Kreise meiner Enkelkinder.

Also zum CT. Einen Liter radioaktive Brühe trinken (die dafür überraschend gut schmeckt: ein bisschen wie ein Liter Wasser, in dem ein Esslöffel Gatorade aufgelöst wurde). Danach ins Gerät, arme hochhalten, noch eine Spritze mit noch mehr radioaktiver Plörre in den Arm und los geht das Gebrumme und die Maschine dreht sich bedrohlich und doch irgendwie majestätisch um einen herum.

Dann wieder warten…

Schließlich das Ergebnis, das verklärender nicht sein könnte: “Wir haben da schon was im Bauch. Zwei Lymphknoten sind ziemlich groß.”

“Ja, aber ich hatte gerade Grippe, das kann ja auch daher kommen”, denke ich und sage es sogar laut.

Ein verunsicherter Blick bei der jungen Ärztin gegenüber – offenbar ist es normal, dass Krebspatienten ihre Metastasen erst einmal kleinreden oder gar leugnen, aber wie man damit umgeht… wie soll man schon damit umgehen außer die Diagnose in einen für den Laien schwer verständlichen Brief zu packen und die Verantwortung, dem Patienten klar zu machen, dass jetzt alles ein wenig (oder auch sehr) schwierig wird, dem nächsten Arzt übertragen. So würden es wohl die meisten von uns tun.

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