Das Leben geht weiter… (fast 5 Jahre danach)

Hallo Leute!

Ich weiß, dass dieser Blog vor allem denen helfen kann und helfen soll, die jetzt gerade betroffen sind. Ich muss auch ehrlich gestehen, dass ich mich inzwischen kaum noch mit der Krankheit identifizieren kann, weil es einfach so lange her ist. Wer sich jetzt gerade mit diesen Zeilen hier überhaupt nicht identifizieren kann, sollte jetzt lieber wieder die älteren Posts lesen, aber gerade für diejenigen, die am Ende ihrer Chemo stehen oder gerade damit fertig sind, sollten das hier lesen:

Das Leben geht einfach weiter!

Natürlich sollte man all die Dinge, die einen vor der Erkrankung im eigenen Leben gestört haben, versuchen, zu vermeiden oder zu überwinden. Aber ich habs ja schon das letzte Mal geschrieben (vor etwa 2 Jahren). Man vergisst die Krankheit nach und nach…

Inzwischen vergesse ich pausenlos, wann ich eigentlich zum Urologen muss und ob ich überhaupt nochmal ein MRT habe… oder ist das mit dem MRT schon fertig? Ich weiß es ehrlich gerade nicht, denn von der Krankheit ist nicht viel geblieben.

Aber etwas ist geblieben:

  • Ich weiß, dass ich alles durchstehen kann, egal wie anstrengend es ist!
  • Ich bin viel dankbarer für jeden Tag, an dem ich einfach nur gesund bin (nicht nur auf Krebs bezogen, sondern auch auf Schnupfen oder schmerzende Knie)
  • Ich weiß das Leben auf jeden Fall mehr zu schätzen als früher.

Ansonsten lebe ich ein “ganz normales Leben” und möchte euch in Aussicht stellen, dass ihr das auch bald wieder werdet. Für uns/euch spricht immer die Rückfallquote, die nach einem Jahr ohne Auffälligkeiten im kleinen einstelligen Bereich liegt! Also besteht in dieser Hinsicht kaum Gefahr…

Auch euer Leben geht weiter! Genießt es!

P.S.: Das war möglicherweise der letzte Post dieses Blogs. Ich hoffe, ich konnte ein paar Leuten helfen, mit ihrer Situation klarzukommen!

Und wer sich mal mit was ganz anderem beschäftigen möchte… ich hab da noch so einen kleinen Blog über Bitcoin… aber auf Englisch: https://bitcoinopinions.wordpress.com/

 

Fast 2 Jahre nach der Diagnose

Im nächsten Monat ist es 2 Jahre her, dass ich die Diagnose Hodenkrebs erhalten habe. Ich muss ehrlich sagen, dass die ganze Krebserkrankung mit Chemo und den kleinen Nachwehen mir inzwischen irgendwie unreal vorkommt – eine vergangene Zeit, in der ich ein anderer Mensch war…
Gesundheitlich geht es mir wunderbar, so wie den meisten Hodenkrebspatienten eineinhalb Jahre nach der Chemo. Ich mache viel Sport, ernähre mich noch gesünder als vorher und achte auf meine Leber.

Ach ja, das ist vielleicht noch eine Sache: Meine Leber war dann doch immer noch ziemlich schwach, was sich vor allem dadurch zeigte, dass ich nach dem Essen immer sehr fertig und müde war, wenn es erhitztes tierisches Eiweiß zum Essen gab; also gekochte Eier, erhitzte Sahne und dergleichen. Seit ich allerdings regelmäßig Leber- und Galletee aus der Apotheke trinke, ist das wieder besser. Ich vertrage auch Alkohol wieder viel besser.

Also, wie immer der Hinweis, wer das hier mitten in der Chemo liest oder am besten noch direkt nach der Diagnose, werden ihm diese Zeilen momentan nicht wirklich weiterhelfen. Aber wer diesen Blog ganz gelesen hat, weiß, wie man die Krankheit besiegt und kann sich dann über Posts wie diesen freuen. Kurz gesagt: Alles wird gut!

Ein Jahr nach der Diagnose

Seit der Diagnose ist ziemlich exakt ein Jahr vergangen. Es kommt einem vor, als wäre die ganze Krankheit Ewigkeiten her. Seit wenigen Wochen überkommen mich spontan Erinnerungen an die Chemo, meistens begleitet von einem gewissen Ekel. Ich fand ja die Chemo nicht besonders schlimm… also im Vergleich zu dem, was ich als Alkohol-Kater kenne, aber eklig ist sie trotzdem… das soll jetzt niemanden entmutigen, dem eine Chemo bevorsteht. Es ist wirklich nicht dramatisch, aber unangenehm (siehe die anderen Posts).

Eigentlich wollte ich in diesem Post nur mitteilen, dass es jetzt keinerlei Spuren der Krankheit oder der Chemo mehr gibt. Die Gynäkomastie (geschwollenen Brustwarzen) hielt sich bis ca. Februar (also fast ein halbes Jahr), ist nun aber ganz verschwunden. Die Haare sind immernoch ein wenig wellig, aber das stört doch keinen großen Geist (um Karlson vom Dach mal zu zitieren).

Ach, eine Sache noch, die ich, glaube ich, in diesem Blog noch gar nicht erwähnt habe: Das Leben mit einem Hoden ist völlig normal. Man merkt den Unterschied eigentlich nie und gewöhnt sich nach wenigen Wochen voll und ganz daran. Beim Fahradfahren ist es so sogar ein bisschen praktischer!

Also, an alle, die ihre Diagnose gerade erhalten haben, mitten in der Chemo stecken, oder wie ich, den Krebs bereits hinter sich haben: Immer stark bleiben! Das Leben geht weiter und bei Hodenkrebs ist das fast garantiert! Ich genieße das Leben nun viel mehr, arbeite weniger und nehme mir mehr Zeit für mich – das habe ich aus dieser Zeit gelernt. Das Leben ist auch ohne Krankheit schon kurz genug! Genießt es!

Langzeitfolgen

Heute, fast 5 Monate nach der Chemo, kann ich eine kleine Bilanz über die Spätfolgen der Chemo ziehen: Die Haare sind alle wieder da. Sie sind welliger als früher, aber keineswegs dünner. Mein Körper ist ebenso dank regelmäßigem Sport in einem Top-Zustand (auch wenn ich in der ersten Stunde – ich mache Kampfsport – meine Arme irgendwann nicht mehr spüren konnte und auf dem Weg nach draußen die Treppe kaum herunterkam… das ist also normal).
Das Einzige, was mich lange Zeit wirklich störte, und jetzt langsam wieder normal wird, sind meine Fingernägel. Die obere Hälfte der Daumennägel war ca. 3 Wochen nach Ende der Chemo abgestorben und die Finger waren wochenlang wahnsinnig druckempfindlich. Es dauerte jetzt rund 4 Monate, bis der abgestorbene Teil rausgewachsen war. Kleine Spuren sieht man noch auf den Daumennägeln.

Außerdem sind da noch die Brüste… also keine richtigen Brüste, sondern nur geschwollene Brustdrüsen. Gynäkomastie nennt man dieses Phänomen, das angeblich selten vorkommt als Spätfolge, was sich aber innerhalb einiger Monate wieder selbst einrenken sollte. Die Brustwarzen sind sehr druckempfindlich und fühlen sich hart an. Allerdings sieht man von außen nicht viel davon, also entstellt es mich keineswegs.

Ich bleibe auf jeden Fall weiter zuversichtlich und wünsche allen, die dasselbe durchleben, dass es alles so gut verläuft wie bei mir!

Ursachenforschung einen Tag vor der Chemo…

Einen Tag vor der Chemo…

macht man sich Gedanken. Es sind dieselben Gedanken, die schon in den vergangenen Wochen, immerhin sind es schon fast 4 Wochen seit der Diagnose, im Geiste herumflattern. Zwei sich ständig wiederholende Gedanken sind dabei natürlich:

1. Ist mit der Chemo dann auch wirklich alles vorbei und habe ich dann für die nächsten 50 Jahre Ruhe?

und

2. Wieso? Woher kommt dieser Krebs, der da in mir drin wohnt?

Auf Frage 1 gibt es keine Antwort, außer die Hoffnung, die, mit ein wenig Übung, auch zu Vertrauen und Zuversicht werden kann.

Die Frage 2 hingegen ist aber ein alles umfassender Dreh- und Angelpunkt jeder Krebserkrankung und nach gründlicher innerer Recherche komme ich zu folgenden “Antworten” für Frage 2. Man kann diese Frage nämlich auf 4 Aspekte ausdehnen, die es alle für sich wert sind, gründlich betrachtet zu werden.

Die vier Seiten, von denen man die recht gemeine Frage nach dem “Warum?” betrachten kann sind in der Reihenfolge ihrer Nachvollziehbarkeit:

Körperlich

Genetisch

Psychisch

Spirituell

Diese werde ich gründlich in einzelnen Kapiteln behandeln.

Diagnose Hodenkrebs

30 Jahre alt. Vater eines kleinen Kindes und dann das… Krebs.

Krebs ist ein Begriff mit dem jeder Mensch das Schlimmste verbindet: Dahinsiechen, Chemotherapie, schreckliche operative Eingriffe, Leid, Tod.

Die Tatsache, dass heutzutage mehr als 50 % der Krebserkrankungen geheilt werden, ist im kollektiven Bewusstsein nicht angekommen. Ein Herzinfarkt ist schick, gerade in Business-Kreisen; Burnout heißt, man hat hart gearbeitet – aber Krebs heißt Tod. Dabei ist ein Herzinfarkt meist tödlicher!

Interessiert aber in dem Moment keinen, wenn einem der Arzt erzählt: “Da ist etwas, das muss ganz dringend raus! Morgen ist Ostern, da haben wir keine OPs, aber kommen sie gleich Dienstag wieder und wir nehmen das raus!”. “Das” ist übrigens die Hälfte meiner Männlichkeit. “Semicastratio”, wie der Mediziner sagt.

In diesem Moment denkst du dir: “Scheiße…”, danach “Na gut, eine OP, dann ist der Spuk auch wieder vorbei.”

Tja… dann erst mal warten. Auf die Ergebnisse des Bluttests. Die Suche nach “Tumor-Markern”, die bei Hodenkrebs meistens ein Anzeichen dafür sind, ob da noch mehr Krebs im Körper lauert.

Metastasen sind das, was einem bei Krebs im Endeffekt tötet. Man könnte ein Leben lang mit einem Tumor irgendwo im Körper rumlaufen, solange er da bleiben würde – macht er aber normal nicht.

Also kommt das Ergebnis des Bluttests – ganz knapp über dem Normalwert, den man haben dürfte. Das klingt gut! Aber der Arzt, der höchstens 5 Jahre älter ist als ich, empfiehlt mir, noch direkt ein CT machen zu lassen. Also direkt ein Termin im Röntgenzentrum gemacht und dann erst mal Mittagessen. Es ist lange her, dass ich gegessen habe.

Eine zentrale Bemerkung des Arztes wiederholt sich dabei immer wieder im Kopf: “Wenn ich mir eine Krebsart aussuchen dürfte, würde ich auf jeden Fall Hodenkrebs nehmen. Die Überlebenschance liegt bei über 90 %.”

Na gut, über 90 % überleben. Das ist gut! An Sterben hatte ich nämlich eigentlich noch nie gedacht. Also schon, ich war immer bereit für den Tod – wenn er denn kommt, mit über 80, nach einem gesunden langen Leben und im Kreise meiner Enkelkinder.

Also zum CT. Einen Liter radioaktive Brühe trinken (die dafür überraschend gut schmeckt: ein bisschen wie ein Liter Wasser, in dem ein Esslöffel Gatorade aufgelöst wurde). Danach ins Gerät, arme hochhalten, noch eine Spritze mit noch mehr radioaktiver Plörre in den Arm und los geht das Gebrumme und die Maschine dreht sich bedrohlich und doch irgendwie majestätisch um einen herum.

Dann wieder warten…

Schließlich das Ergebnis, das verklärender nicht sein könnte: “Wir haben da schon was im Bauch. Zwei Lymphknoten sind ziemlich groß.”

“Ja, aber ich hatte gerade Grippe, das kann ja auch daher kommen”, denke ich und sage es sogar laut.

Ein verunsicherter Blick bei der jungen Ärztin gegenüber – offenbar ist es normal, dass Krebspatienten ihre Metastasen erst einmal kleinreden oder gar leugnen, aber wie man damit umgeht… wie soll man schon damit umgehen außer die Diagnose in einen für den Laien schwer verständlichen Brief zu packen und die Verantwortung, dem Patienten klar zu machen, dass jetzt alles ein wenig (oder auch sehr) schwierig wird, dem nächsten Arzt übertragen. So würden es wohl die meisten von uns tun.